Fragmente vom Absoluten
Peter Ruzicka und die Bamberger Symphoniker
Manchmal hängt das vordergründig Disparate doch eigentümlich zusammen. Bei der Bamberger Gala konnte man das im Nachhinein lernen. Richard Wagner als Orchester-Komponist der absoluten Musik war da gar nicht so weit weg vom zeitgenössischen Tonsetzer der „Bruchstücke" Peter Ruzicka. Denn beide scheinen daran zu leiden, dass Musik am Ende doch beschränkt ist, dass sie nicht das Ganze zu sagen vermag.
Mit Ruzickas Fünf Bruchstücken für großes Orchester begann dieses denkwürdige Konzert mit den Bamberger Symphonikern. Am Ende standen Sieben symphonische Fragmente aus Parsifal, zusammengestellt von Peter Ruzicka. Nahezu eingepresst in diese hier schroffe und dort ausladende Klangwelt behauptet sich die junge Mezzosopranistn Maite Beaumont mit einer Arie und einem Rondo aus Mozarts La clemenza di Tito. Ein kraftvoller Sopran war zu hören, mit viel Wärme in den tiefen Lagen, vorbildlicher Artikulation und einnehmender Frische und Seele. Das war eine rechte Erlösung nach der dämonischen Wucht am Ende von Ruzickas Bruchstücken, bei denen der Komponist die Bamberger Symphoniker zu einer Meisterleistung führte. Große Spannung liegt in den pulsierenden Stücken, die sich zwischen mächtigen Klangballungen und äußerst delikaten Soli bewegen. Feinste Klanggewebe in den Streichern und gewaltige Entladungen wechseln einander ab. Sie erfahren im letzten der Bruchstücke einen infernalischen Höhepunkt, dessen dunkel wogende, aufbrandende Rhythmik im Kopf das Bild brodelnder Lava erzeugt. Der Zuhörer bleibt erschrocken zurück. Die Suche nach dem Äußersten oder eben dem Innersten, was Musik auszudrücken vermag, setzt sich nach der Pause mit Wagner-Fragmenten fort. Vorspiel, Zwischenspiel, Karfreitagszauber: Die Instrumental-Passagen aus dem Parsifal montiert Ruzicka zu einer fein ausgeleuchteten Suche nach dem innersten Kern, nach dem Absoluten von Musik. Besonders, wenn Wagner die Instrumenten-Gruppen brucknerisch aufteilt, hört man die Exzellenz der Bamberger, die in den Streichern einfach Weltklasse sind.
Gerhard Fischer in: Main-Post vom 14. Juli 2005
VORTRÄGE VON PETER RUZICKA IM RAHMEN DER STIFTUNGSPROFESSUR MAINZ - Sommersemester 2005
8. Mai 2005 - Aspekte der Zweiten Moderne
14. Juni 2005 - Fortschrittsgedanken - Über die Kunst, den Markt und einige Ideale von gestern
PETER RUZICKA GUTENBERG-STIFTUNGSPROFESSOR IN 2005
Der künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele und Münchener Biennale, Prof. Dr. Peter Ruzicka, setzt im Sommer-semester 2005 in Mainz kulturelle und kulturpolitische Akzente, denn zu dieser Zeit wird er als Johannes-Gutenberg-Stiftungsprofessor der „Freunde der Universität Mainz e.V." hier wirken. In seiner Veranstaltungsreihe wird er unter dem Titel „Kunst und Widerstand - Aufbruch in eine Zweite Moderne" über Aufgaben und Selbstverständnis von Kunst und Kultur und ihre Neuausrichtung nach der Postmoderne sprechen. Die Stiftungsprofessur bietet zudem Gelegenheit zu einer Kooperation mit dem Staatstheater Mainz: Am Sonntag, dem 8. Mai 2005, wird das Orchester des Staatstheaters unter der Leitung des Stiftungsprofessors Werke von Nono, Beethoven, Lachenmann und Ruzicka zur Aufführung bringen.
Professor Georges Delnon, Intendant des Staatstheaters Mainz, freut sich außerordentlich, dass die Wahl auf Peter Ruzicka gefallen ist: „Ich verehre den Künstler Peter Ruzicka sehr, er ist ein bedeutender Komponist, ein erstklassiger Dirigent und nicht zuletzt ein profilierter Kulturmanager der Jetzt-Zeit, der große Verdienste an der Hamburger Oper und den Salzburger Festspielen errungen hat."
(25.11.2004)
Pressemitteilung | Stiftungsprofessur Mainz
(18.05.2005) F.A.Z., Kultur (Rhein-Main-Zeitung) Konzertchronik
Vorbehaltlos in die Avantgarde
Peter Ruzicka dirigiert das Orchester des Staatstheaters Mainz. Gefaucht wurde nur auf der Bühne: Ein sehr bemerkenswertes Konzertprogramm moderner Kompositionen mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz unter der Leitung von Peter Ruzicka, dem Intendanten der Salzburger Festspiele, der Münchener Biennale und nicht zuletzt auch einem produktiven Komponisten, bewies gleich zweierlei. Erstens ist das Mainzer Orchester in den vergangenen Jahren zu einer vorbehaltlosen Rezeption auch von Avantgardemusik herangereift, zweitens ist das auch das Mainzer Publikum. Mit dem am musikantischsten gespielten Werk des Abends, Helmut Lachenmanns "Tableau. Stück für Orchester", entstanden vor gut fünfzehn Jahren, zeigte sich das Philharmonische Orchester klanglich von seiner besten Seite, nämlich im Einklang von Geräusch und Ton. In der mit acht Hörnern großformatig besetzten Komposition bewegt sich der große Registrator Lachenmann genau in jener Balance zwischen einem Auskomponieren der Tonerzeugung, dem sonst als "Nebengeräuschen" verachteten Haptischen des Musikmachens, und tradierter Intonation. Verblüffend, wie bruchlos der klangliche Impuls bei ständig wechselnden Farbwerten und tonlichen Intensitätsgraden durch die Instrumentenfamilien huschte. Was im ersten Moment noch ein beleibter Blasakkord war, konnte in ein immer brüchiger werdendes Ausklingen umschlagen und gerade hier, an den Rändern der Wahrnehmung, erneut ungeheure Intensität entwickeln. Ein Meisterstück, auch des Orchesters. Ruzicka, dessen Oper "Celan" in Mainz vor wenigen Spielzeiten inszeniert wurde und der jetzt die Stiftungsprofessur der Mainzer Gutenberg-Universität innehat, konnte auch sein eigenes Werk ". . . das Gesegnete, das Verfluchte" dem Klangkörper bestens vermitteln. Die als Requiem auf den skandinavischen Sinfoniker Allan Pettersson konzipierten und mit Zitaten aus dessen geplanter siebzehnte Sinfonie lavieren-den vier Orchesterskizzen verfolgen Petterssons großorchestrale, immer auch schon gebrochene Gestik ebenso konsequent, wie sie als Fragmente auch deren Flüchtigkeit artikulieren. Form-Inhalt-Kongruenz hieß das einstmals und war neben Lachenmann ein weiterer Glücksfall des Abends - vielleicht sogar im Wortsinn. Dass ein Werk Luigi Nonos, dessen auskomponierte Macht der Liebe, nämlich derjenigen, auch nach, trotz oder gerade wegen Hiroshima auf sie bauen zu müssen, sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs über jeder Kritik steht, ist in diesem Kontext und in Mainz wahrlich vorprogrammiert gewesen. Um so mehr ließen die weiten, gänzlich unbegleiteten, expressiv-melancholischen Gesangslinien von Sopranistin Sarah Maria Sun in Nonos Orchesterwerk "Canti di vita e d'amore. Sul ponte Hiroshima" erahnen, welche Last auf dieser existentiellen, bloßgelegten Partie liegt. Eine unermesslich größere als nur die dieses nachhaltigen Konzertabends. Beethovens fünfte Sinfonie wirkte in diesem Kontext nicht unmittelbar zwingend, sondern sogar ein bisschen zu sehr auf "Schicksal" getrimmt, was dann, nach dem "Happy End"-Finale, etwas redundant erschien. Ein offener Konzertschluss, statt einer Bestätigung der Tonart, wäre konsequent gewesen. Ruzicka jedenfalls dirigierte jederzeit souverän. Das Orchester folgte ihm wie schlafwandlerisch: eine sehr gute Verbindung.
Achim Heidenreich
INTERVIEW MIT PETER RUZICKA - FESTSPIELFREUNDE
Peter Ruzicka über: Erfolg, Kritik und den Festspielsommer 2005
Fonoforum 12/04, S. 38-41
KÜNSTLER ODER MANAGER?
Durch seinen in 2006 bevorstehenden Rückzug aus Salzburg hat Peter Ruzicka ins öffentliche Bewusstsein gerufen, in welchem Konflikt Komponisten sich als Intendanten befinden. Jörg Hillebrand hat ihn zu dem Thema befragt und stellt weitere Vertreter seiner Doppelzunft vor.
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Peter Ruzicka - Die eigene Art ist des Menschen Dämon
Gedanken zur heutigen Mahler-Rezeption
(Rede zur Eröffnung der Mahler-Tage, Toblach 2004)
Das Orchester 12 / 04, S. 30-35
Nicht zu allen Zeiten war die Musik Gustav Mahlers solchermaßen wertgeschätzt, wie heute. Die Veränderung in der Mahler-Rezeption führte nicht nur zu einer Veränderung des Konzert-Repertoires und der musikalischen Interpretationskunst, sondern eröffnete auch einen tieferen Blick auf das Werk von Komponisten vor und nach Mahler.
NEU IM HANDEL
PETER RUZICKA DIRIGIERT DAS RUNDFUNK-SINFONIE ORCHESTER BERLIN IN DER PHILHARMONIE
Berliner Morgenpost, 18. Oktober 2004Ein Memorial voller Klagen
Fünf Minuten bis zur Ewigkeit. Länger braucht Peter Ruzicka nicht für seinen musikalischen Nachruf auf den toten Freund Giuseppe Sinopoli, der ein klagender Nachschrei ist. Ruzicka dirigierte das ergreifende Meisterwerk im Rahmen seines Konzerts mit dem Rundfunk-Sinfonie Orchester in der Philharmonie. Trauer im Urzustand. Ein Abschied in tiefem, doch immer aufrührerischem Leid. Wie konnte es geschehen, daß Sinopoli, der große Musiker, mitten in einer Aufführung von Verdis "Aida" in der Deutschen Oper, das Dirigentenpult mit sich reißend, in den Tod stürzte? Ruzicka klagt das Schicksal an. Gleich zu Beginn vermeint man im hochfahrenden Orchestertumult den Todessturz des Freundes zu hören. Ich erinnere mich des Schreckens. Ich war dabei.
Ruzicka hat dem Freund ein "Memorial" hingewittert, ein von Schmerz zerrissenes Gedenken, das Trauerfäuste ballt. Ruzicka schreibt ein Stück voller Ausrufezeichen, hochemotional, zutiefst verstört, doch kompositorisch immer unter strenger Kontrolle.
Er verbeißt sich, unter dem Diktat des Erschreckens, in die Ausweglosigkeit. Das Stück atmet Schwärze. Es zieht seine bittere Bahn, hochkonzentriert, dann wieder wie von der kleinen Trommel gehetzt bei dieser ausweglosen Jagd in den Tod. Erst die große Trommel spricht nachdrücklich das Macht- und Schlusswort. Das Ende ist da. Auf engstem Raum ist Ruzicka ein erschütterndes Stück gelungen, dem es gelang, das Publikum in seinen Bann zu schlagen. Auch so kann Neue Musik sein.
Klaus Geitel